
In der aktuellen Ausgabe des ORF DialogForums „Under Attack!“ diskutierten internationale Expertinnen und Experten, wie öffentlich-rechtliche und unabhängige Medien angesichts wachsender Angriffe von Populisten, Desinformationskampagnen und politischem Druck ihre Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit sichern können.
Hintergrund: Populismus trifft Medien
Demokratische Medienlandschaften geraten weltweit unter Druck. Populistische Bewegungen versuchen, Journalist:innen einzuschüchtern, Berichterstattung zu delegitimieren und öffentlich-rechtliche Sender systematisch zu untergraben. Das DialogForum beleuchtete diese Entwicklungen mit besonderem Blick auf Europa und Österreich – und fragte: Wie können sich freie Medien behaupten und welche Verantwortung tragen dabei Politik, Zivilgesellschaft und die Sender selbst?
Die Teilnehmer:innen
Unter der Moderation von Klaus Unterberger (ORF Public Value) diskutierten u.a.:
Sanija Ameti (Operation Libero, Schweiz), Beata Balogová („SME“, Slowakei), Fritz Hausjell (Reporter ohne Grenzen), Thomas Langpaul (ORF USA), Thomas Laschyk (Volksverpetzer), Lou Lorenz-Dittlbacher (ORF III), Gábor Polyák (Universität Budapest), Michelle Roverelli (EBU), Robert Seyfriedsberger (unser-orf.at) und Barbara Tóth (Falter).
Kernaussagen der Diskussion
1. Weitermachen – mit Haltung und Sorgfalt
Die Verteidigung des Journalismus beginnt im journalistischen Alltag. Gegen Angriffe hilft vor allem eines: Kompetenz, Sorgfalt und Integrität. Gerade in polarisierten Zeiten ist faktenbasierte, sorgfältig recherchierte Berichterstattung das stärkste Mittel gegen Verleumdung und Misstrauen. Mehrere Panelgäste betonten: Qualität ist keine Kür, sondern das Fundament der Glaubwürdigkeit.
2. Transparenz und Fehlerkultur stärken Vertrauen
Vertrauen entsteht dort, wo Medien offenlegen, wie sie arbeiten. Zuschauer:innen wollen wissen: Woher stammen Informationen? Welche Auswahlkriterien gelten? Wie werden Fehler korrigiert? Wer Angriffe abwehren will, muss selbstkritisch und transparent agieren – nicht nur im Krisenfall, sondern kontinuierlich.
3. Keine Bühne für antidemokratische Akteure
Die Diskussion zeigte eine klare Tendenz: Plattformen sollten nicht automatisch allen zur Verfügung stehen. Wer demokratische Regeln systematisch untergräbt, sollte nicht unkritisch eingeladen werden – das ist keine Einschränkung von Meinungsfreiheit, sondern eine redaktionelle Verantwortung. Gewarnt wurde auch vor „falscher Ausgewogenheit“, die Desinformation normalisiere.
4. Juristische Resilienz aufbauen
Populistische Strategien nutzen zunehmend auch das Rechtssystem, etwa durch sogenannte SLAPP-Klagen („Strategic Lawsuits Against Public Participation“), um Journalist:innen einzuschüchtern. Fritz Hausjell und Vertreter:innen der EBU betonten: Es braucht bessere rechtliche Absicherung – etwa durch Rechtsschutzfonds, Ombudsstellen und grenzüberschreitende Kooperationen. Nur gemeinsam lassen sich Angriffe abwehren.
5. Allianzen über Sektoren hinweg
Ein zentrales Ergebnis der Diskussion: Die Verantwortung für den Schutz unabhängiger Medien darf nicht nur bei Redaktionen liegen. Politik, Bildung, Wissenschaft, NGOs und Bürgerinitiativen müssen gemeinsam an einem Strang ziehen. Es brauche auch einen „Whole-of-Society-Approach“ – also eine koordinierte, langfristige Zusammenarbeit über institutionelle Grenzen hinweg.
6. Medienkompetenz als präventive Verteidigungslinie
Desinformation wirkt nur, wenn das Publikum nicht in der Lage ist, sie zu erkennen. Bildung – formell und informell – wurde daher als entscheidende Präventionsstrategie benannt. Medienbildung in Schulen, Fact-Checking-Initiativen und öffentlichkeitswirksame Kampagnen sind keine „Add-ons“, sondern Investitionen in eine widerstandsfähige Demokratie.
Fazit: Dialog als Schlüssel zur Medienzukunft
Das DialogForum „Under Attack!“ hat eindrucksvoll gezeigt, wie vielfältig die Angriffe auf unabhängige Medien heute sind – und wie entschlossen sich Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und zivilgesellschaftliche Akteure dagegen stemmen. Von konkreten Abwehrstrategien gegen Desinformation über rechtliche Schutzmechanismen bis hin zur Notwendigkeit von Medienbildung und Allianzen reichte das Spektrum der diskutierten Maßnahmen.
Diese Vielfalt an Perspektiven ist kein Selbstzweck – sie ist Voraussetzung, um das im „ORF-Zielbild 2032“ formulierte Zukunftsversprechen einzulösen: einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schaffen, der unabhängig, pluralistisch, digital anschlussfähig und gesellschaftlich tief verankert bleibt.
Dafür braucht es mehr als Strategiepapiere. Es braucht einen systematischen, offenen Multi-Stakeholder-Dialog, wie ihn das DialogForum exemplarisch vorgezeichnet hat – als Ort des Austauschs, der Selbstreflexion und der konkreten Zusammenarbeit. Nur so kann das ORF-Zielbild 2032 zu gelebter Realität werden.